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Buch „Gipfelkreuze -Träume, Triumphe, Tragödien” mit Osttiroler Geschichten

Für sein Buch fand Hans-Joachim Löwer auch in Osttirol typische Beispiele dafür, welche Vielfalt an Motiven die meist aus Holz oder Stahl gefertigten Gipfelkreuze in sich bergen.

Vorderer Sajatkopf (2.915 m), Venedigergruppe

Ein Dutzend junger Männer quälte sich 1958 mit zwei mächtigen Holzstämmen über die steilen Wiesen bis ins felsige Gelände hoch. Sie gehörten zum Helferkreis des Pfarrers von Prägraten und hatten sogar Theaterstücke gespielt, um durch die Einnahmen das Gipfelkreuz für den Vorderen Sajatkopf zu finanzieren. Der Längsbalken war neun Meter lang, der Querbalken brachte es auf sechs Meter. Dazu kam noch ein vier Meter hoher Sockelbaum. Die zwei Stämme wurden auf die Achse eines alten Pflugs mit zwei Holzrädern geschnallt und zwei Drahtseile zu einem 50 Meter langen Strang verknüpft. Dieser lief über eine Spule, die von den Burschen immer wieder auf einen neuen Felssporn gelegt wurde. So zogen sie, Meter um Meter, das Gefährt mit seiner Last zum Gipfel hoch. Plötzlich ging der Knoten auf. Der Querbalken löste sich, rollte zum Glück nur ein paar Meter und wurde dann von Felsbrocken gestoppt. Der Längsbalken aber polterte in rasendem Tempo 800 Höhenmeter hinunter ins Tal. Die Burschen stiegen ab und begannen den mühsamen Transport aufs Neue.

Im zweiten Anlauf kämpften sie sich bis 250 Meter unter den Gipfel. Dann legten sie sich erschöpft zum Schlafen in Holzhütten, die ansonsten von den Bauern bei der Heumahd aufgesucht werden. Als sie am nächsten Tag tatsächlich am Gipfel standen, zog ein Gewitter auf. Der runde Metallkranz, der Längs- und Querbalken stabilisieren sollte, drohte die Blitze geradezu auf sich lenken. So ließen die jungen Männer alles liegen und rannten den Berg wieder hinab. Sie sahen, wie der Blitz ein Stück höher einschlug – und dankten Gott dafür, dass sie mit dem Leben davongekommen waren. Einer von ihnen gab einen sarkastischen Kommentar von sich: „Ein Kreuz musst du tragen – nicht ziehen.“

Mehr als ein halbes Jahrhundert später war das Gipfelzeichen stark angegriffen, aber die Geschichte seiner Errichtung steckte ganz tief im Stamm. „Die kann man nicht so einfach entsorgen“, sagten sich die Prägratner Jungbauern, die sich um ein Nachfolgekreuz kümmerten. Aus dem Holz des alten Kreuzes, das ein Hubschrauber ins Tal flog, wurden kleine Wandkreuze geschnitzt. Wer mindestens zehn Euro spendete, konnte sich so ein Stück mit nach Hause nehmen. Drei große Teilstücke wurden zu Maria Himmelfahrt nach der Prozession auf dem Prägratner Kirchplatz versteigert – sie brachten mit 170, 140 und 100 Euro die höchsten Erträge. So kamen insgesamt mehr als 2.000 Euro zusammen, mit denen die Bau- und Flugkosten finanziert wurden. 2018 konnte das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden.

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